Anne Lemhöfer: In einer markanten Chronik zeichnet Anne Lemhöfer das Schicksal eines aus Aleppo stammenden syrischen Flüchtlings zwischen Juli 2012 und Juli 2016 nach. Der gerade als Bauingenieur examinierte Wael flieht nach der Bombardierung seiner Heimatstadt in den Libanon. Im Februar 2015 kommt er nach Frankfurt, lebt zunächst in einer Flüchtlingsunterkunft, dann bei einer Gastfamilie. Ende Juli 2016 bekommt er einen Praktikumsplatz bei der Taunussparkasse.
Der Autorin gelingt das Kunststück, Wael, der die schreckliche Wirklichkeit des syrischen Krieges als Opfer erlebte, in elf meisterhaft verfassten Miniaturen als Individuum zu beschreiben. Dabei kommen glückliche Momente ebenso zur Sprache wie die Schrecken von Krieg, Flucht und Einsamkeit. Erwähnenswert sind auch die sprechenden Fotos, die von Wael A. stammen. Der Artikel von Anne Lehmhöfer überzeugte die Jury mit seiner herausragenden Qualität in besonderer Weise und erhält dafür verdient den Hessischen Journalistenpreis 2016.
Johannes Pennekamp: Der Autor zeigt in seinem Porträt einer afrikanischen Gruppe junger Rennradfahrer, wie das Leben des minderjährigen Flüchtlings Habu Belom aus Eritrea in Hessen Fahrt aufnimmt. Der Text spielt dabei souverän mit Überraschungen: In der Heimat von Habu Belom ist Rennradfahren ein Nationalsport. Ein Trainer, der ebenfalls aus Eritrea stammt, hat das Team „AfriQa“ gegründet. Gemeinsam mit anderen jungen afrikanischen Flüchtlingen fährt Habu durch Deutschland – aus Liebe zum Sport und auch, um Dankbarkeit für die neue Heimat zu demonstrieren. Die Flüchtlinge begegnen in der außergewöhnlichen Sportreportage als Experten ihrer heiklen Existenz als Flüchtlinge. Die traurige und äußerst beschwerliche Flucht aus der eritreischen Militärdiktatur wird nicht ausgeblendet. Das Leben in Deutschland aber erweist sich als Ausweg voller Hoffnungen und Initiativen.
Andreas Bauer: Als journalistischer Projektleiter hat Andreas Bauer die Multimedia-Reportage „Praxistest Integration – Flüchtlinge in Neu-Isenburg“ auf hessenschau.de maßgeblich mitentwickelt. In diesem Zusammenhang entstand der Beitrag „Warum Rudi Witzig gegen Flüchtlinge ist“. In aller Kürze und Prägnanz schildert Andreas Bauer, wie scheinbar festgefahrene Einstellungen mit Einfühlungsvermögen und Geschick aufzubrechen sind – zumindest im Fall von Rudi Witzig. Der Bericht über die Lockerung von Vorurteilen ist zugespitzt und witzig formuliert. Der Journalist selbst agiert als Eisbrecher eingefrorener Meinungen und Urteile, indem er seinen Interviewpartner mit dessen Einstellungen und Widersprüchen anhört und ernst nimmt. Diese Variante eines behutsam „eingreifenden Journalismus“ hat die Jury des Hessischen Journalistenpreises erfreut und überzeugt.
Projektgruppe aus Redakteuren von hessenschau.de und hr-iNFO: Weit entfernt von Klischees und eingefahrenen Perspektiven werden die Schwierigkeiten und Hindernisse der Integration ebenso beschrieben wie Erfolge und originelle Formen von Flüchtlingsarbeit. Die Aufbereitung der Inhalte überzeugt durch mediale Vielfalt und ein ausgewogenes Verhältnis plakativer Motive, sensibler Momentaufnahmen und sprachlicher Prägnanz. Mit der Belobigung für ihre kluge und engagierte Arbeit verbindet sich der Wunsch, dass die Redakteure der Projektgruppe auch in Zukunft Zeichen setzen für publizistische Arbeit, die durch eingehende Analyse, klare Meinung und hohen Informationsgehalt der gesellschaftlichen Verantwortung des Journalismus Rechnung trägt.
Team der Tageszeitungen Wiesbadener Kurier und Wiesbadener Tagblatt: Zweimal im Jahr erleichtert die „Hier in Wiesbaden“ mit immer neuen Themen vor allem Flüchtlingen und Asylbewerbern das Einleben in der Stadt. Sympathisch, einfach und alltagspraktisch greift sie die Themen auf, die ausländische Mitbürger bewegen. Sie präsentiert zugleich die Stadt Wiesbaden, die Identität Hessens und die deutsche Kultur in einer Weise, die anspricht und erreicht. In Inhalt und Aufmachung ist die Informationszeitung damit beispielgebend für engagierte Integration von Flüchtlingen in Hessen – und ihr Redaktionsteam ein Vorbild für verantwortungsvollen Journalismus.
Werner D’Inka ist ein glänzender Journalist, der alle Facetten seines Handwerks meisterhaft beherrscht. Zugleich versteht er es seit Jahrzehnten wie kaum ein Zweiter, Meinungsstärke mit Besonnenheit zu verbinden. Für seine Verdienste erhält Werner D’Inka 2016 den Ehrenpreis des Hessischen Journalistenpreises.
Als für die Rhein-Main-Zeitung der FAZ verantwortlicher Herausgeber setzt er seit vielen Jahren Maßstäbe für das öffentliche Klima und die Gesprächskultur des an Widersprüchen nicht armen Rhein-Main-Gebiets. In klug geführten Gesprächen, als souveräner Moderator, mit präzise formulierten Kommentaren gehört Werner D’Inka zu den wichtigsten Stimmen der Region, die über den Frankfurter Horizont weit hinausreichen. Vor allem ihm ist die hohe Qualität des Journalismus in seinem Verantwortungsbereich zu verdanken. In diesem Sinne kommt dem Zusatz „bisherig“ bei der Auszeichnung seines Lebenswerkes besondere Bedeutung zu. Denn mit dem Ehrenpreis verbindet sich der Wunsch, dass Werner D’Inka noch lange zur Stärkung der Identität Hessens und zur Förderung journalistischer Brillanz in Sprache, Stil und Form beiträgt.
Journalismus heißt, unablässig nachzuforschen, nachzuhaken, nachzufragen, Fakten zu sammeln und sie vor allem zu prüfen: auf ihre Herkunft, ihren Realitätsgehalt, auf ihre Plausibilität und Verlässlichkeit. Und das Tag für Tag. Nachricht für Nachricht. Denn erst die Kontinuität schafft Qualität.
Werner D’Inka